Modulare Synthese (WWW-Workshop)


STEP 2

Modulation



Bemerkung : die Module "ADSR" und "VCA" sind bei Standardanwendungen eng miteinander verflochten. Um die Funktion des einen Moduls zu erklären, hilft Grundwissen über die Funktion des anderen Moduls. Ich erkläre hier zuerst den Hüllkurvengenerator ADSR und dann den spannungsgesteuerten Verstärker VCA, es könnte aber genauso umgekehrt sein. Bitte um Nachsicht !



ADSR (Hüllkurvengenerator, Attack Decay Sustain Relase)

Bisher waren alle Beispiele so gestrickt, dass Modulationen nur mit stetig sich wiederholenden Signalen, also Oszillatoren (bzw. LFO's, siehe unten), durchgeführt wurden (bis auf Rauschen, natürlich !).

Wie aber wollen wir einen Klang hinbekommen, der z.B. langsam seine Tonhöhe anhebt, dann kurzabsinkt, um auf einem bestimmten Level zu bleiben, und dann nach gewisser Zeit wieder auf die ursprüngliche Tonhöhe zurückzukommen ?

Etwa so ? (MP3) Nun, dazu gibt es die Hüllkurvengeneratoren. Ich möchte, um den Hüllkurvengenerator noch besser zu beschreiben, ein weiteres Modul zur Hilfe nehmen, das als nächstes kommt, nämlich den VCA. Es erleichtert die Beschreibung der Funktion des Hüllkurvengenerators.
Ein VCA ist ein spannungsgesteuerter Verstärker, also eine Schaltung, die je nach Kontrollspannung mal mehr und mal weniger (genau genommen von 0% bis 100%) eines Eingangssignales durchlässt.
Nehmen wir nun das Klavier. Einmal auf die Tasten gehauen, ist der Ton fast schlagartig da (vergessen wir mal die feinsten Änderungen in der Klangfarbe innerhalb der ersten paar zig Millisekunden) und wird dann immer leiser, solange die Taste gedrückt bleibt. Lässt man die Taste los, erstirbt der Ton sofort. In einer grossen Halle hört man vielleicht noch einen relativ schnell verklingenden Nachhall.

Klavierhüllkurve

Wir haben also :
einen sehr schnellen Anstieg der Lautstärke
eine sehr lange Abklingzeit der Lautstärke, wenn die Taste gedrückt ist,
und eine sehr kurze Abklingzeit, wenn die Taste losgelassen wird.


Damit sind die Begriffe Attack, Decay und Release schon erklärt.
Attack ist die Zeit, die der Hüllkurvengenerator braucht, um von "0 auf 100" zu kommen, wenn das Steuersignal zum Hüllkurvengenerator schlagartig von 0 auf 5 Volt steigt.


Das gleiche gilt natürlich auch für Decay (also die Zeitrate, mit der die Hüllkurve gegen 0 sinkt)
und Release, d.h. die Zeitrate gegen 0 nach dem die Taste losgelassen wurde.

Das Steuersignal eines Hüllkurvengenerators entspricht dabei immer dem Tastendruck, also entweder Taste im Ruhezustand, d.h. 0 Volt, oder Taste gedrückt : 5 Volt (oder auch 10 Volt, oder dazwischen, je nach Modularsystem).

Das Steuersignal der Tastendrucklänge wird im Allgemeinen Gate genannt.
Den kurzen Puls zu Beginn des Tastendruckes nennt man Tastatur-Trigger.
Gate gibt jedes Keyboard aus, Trigger manche.

Steuert nun ein Hüllkurvengenerator ( der von einer Rechteckspannung, die dem Tastendruck entspricht, gesteuert wird ) einen VCA, so ergeben sich Lautstärkeverläufe, also das, was vorher unter Zuhilfenahme des Beispiels "Klaviers" beschrieben wurde.
Man müßte in diesem Beispiel die Attackzeit auf sehr kurz stellen, die Decayzeit auf lange und die Releasezeit auf kurz. All dies kann man bei den üblichen Hüllkurvengeneratoren über Potis machen, die Hi-End-ADSR's sind sogar spannungssteuerbar in ihren Parametern.

Hier nun 4 Beispiele für einen Hüllkurvenverlauf mit verschiedenen Attack-und Release-Zeiten. Die Lautstärke ändert sich also nur, wenn ein Wechsel beim Tastendruck aufgetreten ist :

Kurze Attackzeit, kurze Releasezeit :MP3
Kurze Attackzeit, lange Releasezeit :MP3
Lange Attackzeit, kurze Releasezeit :MP3
Lange Attackzeit, lange Releasezeit :MP3


Jetzt hatten wir nur die Möglichkeit, den Ton abklingen zu lassen, wenn die Taste losgelassen wurde. Wie erstelle ich einen Ton der sofort da ist, aber dann auch sehr schnell wieder abklingt ? Man könnte natürlich Sehr kurz die Tasten bedienen, aber as gibt Sounds, die so "knackig" sein sollen, das man das per Hand nur mit viel viel Übung über längere Zeit hinkriegt.
Nun, für dieses "Problem" gibt es ja Decay. Wird Attack auf 0 gesetzt und Decay auf eine sehr kurze Zeit, bekommen wir genau das gewünschte :


3 mal ganz kurz, 3 mal etwas länger, 3 mal mittellang


Vorhin fiel die Abkürzung ADSR. A(ttack), D(ecay) und R(ealease) hatten wir ja schon, aber wofür steht S ? Sustain !
Der ADSR-Hüllkurvengenerator (ab jetzt ADSR) besitzt neben den schon beschriebenen Eigenschaften eine weiter, nämlich das Verharren auf einem bestimmten Spannungswert, wenn die Decayzeit abgelaufen ist. Das wäre ein Klavier, welches bei gedrückter Taste am Anfang leiser wird, dann aber plötzlich immer die gleiche Lautstärke weiterbehält, solange, wie die Taste losgelassen wird.
Eine Orgel hätte ein Sustainlevel bei 100%, also wäre die Decayzeit völlig bedeutungslos. Attack würde man auf 0 stellen (also Orgelton sofort beim Tastendruck) und Release auf einen relativ kleinen Wert, um den Nachhall in einer Kirche nachzubilden.
Die Streicher eines Orchesters können noch viel dynamischer mit der Lautststärke umgehen, ein ADSR kommt da garnicht mit. Immerhin können wir aber mit dem ADSR das langsame Ansteigen der Lautstärke, dann das vorsichtige Leiserwerden bis zu mittlerer Lautstärke und das etwas schnellere abschwellen der Lautstärke simulieren (wenn wir wollen, aber das Simulieren von Naturklängen soll nicht unbedingt die Domäne von Modularsynthesizern auf der Basis subtraktiver Synthese sein!).

VCA (voltage controlled amplifier = Spannungsgesteuerter Verstärker)

Wir hatten den VCA ja nun schon mal.
Der spannungsgesteuerte Verstärker (ab jetzt : VCA) hilft genau dann weiter, wenn die Amplitude (oder Verstärkung) eines Signals abhängig von einer Eingangsspannung geändert werden soll. Der VCA hat einen Eingang, da kommt der Ton rein, und einen Ausgang. Aber das haben wir später. Zunächst brauchen wir ja einen Steuereingang, der dem Verstärker sagt, wie stark die Verstärkung sein soll : von 0 (also kein Effekt, der Ton der hereinkommt, wird vollständig unterdrückt) bis Maximum, also Ton genauso laut raus wie rein. Ja, und dann natürlich brauchen wir einen Audio-Ausgang, wo der modulierte Ton wieder rauskommt. Fertig ist ein VCA.

Im Grunde haben die Beispiele beim ADSR schon alles gezeigt, was man mit einem VCA in der Standardanwendung machen kann.

Es gibt allerdings noch Tricks, die einen VCA für andere Anwendungen ganz interessant werden lasssen. Als erstes möchte ich die Audiomodulation eines VCA vorstellen :



Und das klingt dann so !
Moduliert man ein Signal mit einem VCA also im Audiobereich, kommen metallisch oder geräuschhaft klingende Laute zustande. Diese Amplitudenmodulation im Audiobereich ist verwandt mit dem Ringmodulator, der an einer anderen Stelle besprochen wird.

Ein komplizierteres Patch (wir kommen in den Beispielen darauf zurück!) ist dieses hier :



es macht deutlich, das mit der Audiomodulation einiges anzustellen ist ! Das Prinzip ist einfach : Oszilator A sorgt für die Audiomodulation des VCA, Oszilator B geht in den Audioeingang des VCA, also wie vorhin. Beide Oszilatoren werden von der Tastaturspannung CV in ihrer Tonhöhe gesteuert. Zusätzlich kommt aber noch ein unbekanntes Modul hinzu, nämlich ein spannungsgesteuertes (Hochpass-)Filter. Das Filter wird vom ADSR (1) in seiner Funktion gesteuert (siehe Step 3 !). Dann gibts noch einen weiteren VCA, der wird einfach über einen weiteren ADSR (2) gesteuert und sorgt dafür, das eine Hüllkurve, ähnlich der oben genannten "Klavier"-Hüllkurve die Lautstärke des Gesamtergebnisses beeinflußt.
Das Ganze klingt dann so.

Mit einem VCA kann man natürlich noch deutlich viel mehr machen. Weitere Beispiele im späteren Verlauf des Workshops gehen näher darauf ein !

LFO (Niedrigfrequenz-Oszillator, Low Frequency Oscillator)

Wir haben das Thema schon bei Step 1 angeschnitten. Da wurde ein LFO eingesetzt, um die Frequenz eines VCO zu modulieren. Ein LFO dient also in der Regel dazu, um bestimmte andere Module anzusteuern und dabei Lebendigkeit in die Klangstruktur einzuhauchen. Natürlich ist es bei einem Modularsystem völlig egal, welchen Parameter man mit einem LFO ansteuert, Hauptsache er ist spannungssteuerbar.
LFO's können alle wichtige Wellenformen produzieren, und zwar mit Frequenzen von (je nach Bauart) 1-2 Minuten pro Zyklus (0,001 Hz) bis in den Audiobereich hinein (z.B. 400 - 600 Hz), womit die LFO-Frequenz schon längst im VCO- Bereich liegt.
Die Frequenz des LFO ist jedoch in der Regel nur über ein Drehregler einstellbar. Es gibt allerdings auch etwas komplexere Schaltungen, die es gestatten, die LFO-Frequenz über eine Steuerspannung zu verändern, so dass es sich also tatsächlich um einen VCO handelt (VC-LFO).
Die Wellenformen, die ein LFO produzieren kann, beschränkt sich in der Regel auf Sinus, Dreieck, Rechteck und Sägezahn. Billige LFO's produzieren z.B. nur Dreieck und Rechteck (Schaltungstechnisch wenig aufwendig), die etwas besseren können zusätzlich auch die Pulsbreite des Rechtecksignals verändern, u.U. sogar spannungsgesteuert. Einige LFO's bieten noch die Möglichkeit, den Kurvenverlauf zwischen Sägezahn - Dreieck - invertiertem Sägezahn kontinuierlich zu durchfahren, wie der Korg MS 10 (ein halbmodularer Synthesizer) beispielsweise. Derselbe Regler zum Durchfahren der Wellenform kann, falls Rechteck als Wellenform gewählt wird, die Pulsbreite frei verändern. Die richtig guten LFO's haben noch eine Random-Funktion, also die Möglichkeit, völlig zufällige Spannungsverläufe entweder in Treppenstufenform oder sogar frei fluktuierend zu generieren. Wir können allerdings den Treppenstufen- Random LFO auch mit einem Rechteck-LFO, einem Sample-and-Hold und einem Rauschgenerator basteln. Das allerdings verschiebe ich auf Step 4, wo die Sample-and-Hold Schaltung erklärt wird.

Hier nun ein paar Modulzusammenstellungen, die die Funktionsweise eines LFO verdeutlichen sollen :


Frequenz eines VCO mit einem langsamfrequenten Dreieck-LFO moduliert. Vom VCO wird das Sägezahnsignal abgegriffen.

Statt Dreieck jetzt Rechteck



und Treppenstufen-Random.



Man kann einen VCO natürlich auch mit mehreren Rechteck LFO's so ansteuern, daß sehr komplexe rythmische Tonhöhenänderungen entstehen : das Geheimniss bei der Schaltung ist, daß jeder "LFO-Rechteck-Sprung" den VCO um eine Quinte, Quarte, Oktave oder sonstwas passendes "verstimmt". Dann klingt das Ganze sehr sauber. Man muss dann allerdings sehr geduldig jeden einzelnen LFO-CV-Eingang am VCO stimmen. Das ist viel Arbeit, lohnt sich aber.



Hier mal so ein sauberes Beispiel,

und drei ehr experimentelle Ansätze (1)

(2)

(3)



Steuert man den VCO mit einem Sägezahn-LFO an, so erhält man Klänge, die einem aus Videospielen vertraut sind, oder als Tonuntermalung für schlecht gemachte SF-Zeichentrickfilme. Klingt auch ziemlich billig.

fallender Sägezahn und steigender Sägezahn


    


Besser wird es schon, wenn zwei VCO's mit einem LFO angesteuert werden, der eine VCO bekommt einen steigenden Sägezahn vom LFO, der andere VCO einen fallenden.





So, jetzt werden beide VCO's etwas anders miteinander verknüpft : der eine ist um 2 Oktaven tiefer als der andere und wird von diesem ge"synct". Der höher gestimmte wird vom fallenden Sägezahn-LFO gesteuert, der andere vom steigenden.



Bisher hatten wir keinen Einfluß darauf, wann genau bei einem LFO z.B. die fallende Sägezahnkurve auf ihr maximalniveau geht, um dann langsam abzufallen. Das läßt sich, wie wir schon bei den VCO's gesehen haben, auch realisieren, und zwar mit einen SYNC-Eingang.
Das folgende Beispiel verdeutlicht, warum sowas manchmal wichtig sein kann : ein Ton soll, wenn er auf der Klaviatur angeschlagen wird, sofort einsetzen und sich dann immer (also bei jedem Tastenschlag genau timing-gleich) echoartig wiederholen.

Das ist übrigens auch gleich ein Beispiel für den Einsatz des VCA : der erste VCA steuert das eigentliche Echo, der zweite VCA läßt das Echo über den steuernden ADSR immer leiser werden.
Das funktioniert so :



Man könnte auch anstelle eines LFO einen VC-LFO nehmen, und die LFO-Geschwindigkeit über die Keyboard-Steuerspannung (also Tonhöhe) festlegen. Man bekommt dann Effekte wie bei älteren Samplern, je höher der Ton, desto schneller das Echo !

Ein anderes Beispiel für synchronisierte LFO's ist das hier : 3 Sägezahn-LFO's werden vom Tastaturtrigger synchronisiert, und steuern 3 Bandpassfilter (VCF's), was etwas lebendigere, maschinenartige Klänge erzeugt, aber immer Tastatur-Anschlagssynchron !